Die Hexen-Coppel von Johannes Ellinger

Ich habe mir jetzt einmal die „Hexen-Coppel“ des Arheilger Pfarrers Johannes Ellinger angesehen.

Das Ganze hat knapp 70 Seiten in engbedruckter Fraktur-Schrift in der Sprache des 17. Jahrhunderts, gespickt mit lateinischen Phrasen, um gebildet zu wirken, mit unzähligen Dopplungen und aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelzitaten. Das ist sehr anstrengend zu lesen, von daher habe ich vieles nur überflogen, so dass, was ich jetzt dazu schreibe, nur oberflächlich sein kann. Eine genaue Analyse könnte zu einer anderen Bewertung des Werkes führen. Für das, um was es mir jetzt eigentlich geht, sollte es aber ausreichend sein.

Ellinger, geboren 1604 in Darmstadt, war Kaplan und Schulmeister in Arheilgen, der 1631 suspendiert wurde, vermutlich weil er seine Pflichten zu oft vernachlässigt hatte. Danach verliert sich seine Spur. Sein weiteres Schicksal kennen wir nicht.

Mir war er bisher entgangen und ich war erst durch ein kürzlich erschienenes Buch über die Darmstädter Hexenverfolgungen auf ihn gestoßen (vgl. den vorigen Blogeintrag).

Dort schreibt der Autor Matthias Lothhammer über Johannes Ellinger:

„Unter dem Eindruck der Dieburger Hexenprozesse verfasste Pfarrer Ellinger in Darmstadt eine Schrift gegen den Hexenwahn. Seine ‚Hexen-Coppel‘ wurde veröffentlicht und er wurde bald darauf vom Dienst suspendiert.“

Bezug von Lothhammer ist „Weber, Otto (Hrsg.), 1986: Hexen – Leid und Verfolgung im Spiegel der Geschichte, Verein für Heimatgeschichte, Ober-Ramstadt“.

Aber auch das Stadtlexikon weiß über die Hexen-Coppel:

„Noch in seiner Arheilger Zeit schrieb er, wohl unter dem Eindruck von Hexenverbrennungen in Dieburg, 1629 ein Werk, in dem er sich gegen den Hexenaberglauben (Hexenverfolgung) wendet […]“

Ist Ellinger also ein vergessener Kritiker der Hexenverfolgungen?

Ähm, nein, leider nicht. Schaut man sich das Buch mal an, ist man über die Einschätzung von Weber und dem Stadtlexikon (hier konkret verfasst von Stadtarchivar Peter Engels) doch sehr erstaunt. Bei Lothhammer vermute ich, dass er einfach Weber vertraut hat, zumindest führt er die Hexen-Coppel nicht in seinem Literaturverzeichnis auf.

Ich muss dabei allerdings noch einmal betonen, dass ich das Werk nur überflogen habe, wenn man es richtig analysiert, kommt vielleicht ein etwas anderer Eindruck zustande. Es würde mich aber überraschen.

Denn es fängt schon damit an, dass Ellinger auf der Titelseite des Buches das unselige Zitat aus Exodus abdrucken lässt, das Luther so fatal mit „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“ übersetzte.

Dann ist das Buch über weite Strecken eine Darlegung, welche Formen von Zauberern und Hexen es gibt, er kategorisiert, er hinterfragt nicht. Zu belegen versucht er das zumeist mit Bezug auf christliche und antike Autoren, und natürlich der Bibel.

Kritisieren tut er, dass sich der – wie er es nennt – „unverständige Idiot“ und „gemeine Pöbel“ anmaßt darüber entscheiden zu können, wer verbrannt wird und wer nicht. Das wäre Aufgabe der Obrigkeit.

Damit erschöpft sich seine Kritik an den Hexenverfolgungen aber schon. Es geht ihm darum, wie Hexen verfolgt werden sollen, nicht ob. An einer Stelle schreibt er in Bezug auf Hexenverbrennungen, die an anderen Orten stattgefunden haben:

„GOtt geb das dieser Hexendanz auch einmal bey uns angehe unnd solches Teuffelisches Unkraut doch zum theil möchte ausgerottet werden.“

Schon klar, oder? Es ist der absolute Höhepunkt der Hexenverfolgungen, es werden Menschen zu Tausenden bestialisch verbrannt. Und Ellinger findet kacke, dass das in Darmstadt gerade nicht passiert.

An anderer Stelle stimmt er der Vorstellung zu, dass sich der Teufel leiblich mit Menschen vermischen kann:

„So ist jedoch auch aus der Unholden Zaubermeister un Teuffelsbräuten peinlichen Aussag offenbar unnd kund, daß der Teuffel […] mit seinen Leuten unnd angehörigen […] warhafftiger empfindelscher Weise sich vermischen und sie hinwiederumb mit ihm zutun haben können.“

Und die Konsequenz daraus ist:

„Wolan ist dem nun also unnd soll auch in Ewigkeit also bleiben, daß GOtt die Hexen und Zauberer durch die Obrigkeit wil getödtet haben.“

Anschließend wirft er der Obrigkeit vor, dass sie ihrer Pflicht diesbezüglich nicht nachkämen. Wohlgemerkt: Er kritisiert nicht die Hexenverfolgungen, sondern dass in Darmstadt zu dieser Zeit keine verfolgt werden!

Es ist bemerkenswert, dass aus so einer Quelle der Schluss gezogen wurde, es handele sich um eine Kritik an den Hexenverfolgungen. Offenbar hat sich niemand, der das behauptet hat, angefangen bei Otto Weber bis zu Stadtarchivar Peter Engels, das Ding mal angesehen. Ellinger zweifelt zu keinem Zeitpunkt die Realität von Hexen, Schadzaubern oder Teufelsbuhlschaft an. Im Gegenteil, er kritisiert die Obrigkeit dafür zu lasch vorzugehen, wünscht sich ein Vorgehen, wie es gerade anderswo im Reich stattfindet.

Wie genau kommen da Aussagen zustande, er hätte sich gegen den Hexenglauben gewandt?

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