Gedankenfetzen zum Krieg (8)

Als ich mir 2014, 100 Jahre nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, angeschaut habe, was die Darmstädter Zeitung damals darüber geschrieben hatte, war ich überrascht, dass der Tonfall und die Propaganda noch bei Weitem den alles andere als zimperlichen Tonfall von Seiten der Politik übertraf. Naheliegende Erklärung dafür war, dass die Darmstädter Zeitung alles andere als unabhängig gewesen ist.

Heute sind Zeitungen einigermaßen unabhängig (oder zumindest deutlich weniger abhängig, nicht zuletzt auch, weil der gegenseitige Widerspruch Teil des Geschäftsmodells ist). Und trotzdem haben wir dasselbe Phänomen: Die Polemik zum Krieg in der Ukraine ist deutlich schärfer, deutlich fordernder und deutlich weitergehender als die Politik, zumindest in den kommerziellen Leitmedien.

Selbst Artikel, die eindeutig kein Kommentar, sondern ein Bericht sein sollen, fügen wertende Begriffe ein, so wird – um nur ein Beispiel zu nennen – die Zustimmung der Grünen zu Waffenlieferungen und militärischer Unterstützung als „neuer Pragmatismus“ bezeichnet. Frieden ist eine Ideologie, das schwingt da mit.

Woher kommt das?

Sabine Schiffer, Professorin an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Frankfurt sagte dazu in einem lesenswerten Interview gegenüber dem Freitag:

Inwiefern sind Medien in eine strategische Kommunikation eingebunden?
Medien sind als vierte Gewalt der Aufklärung und Neutralität verpflichtet. Selbst, wenn sie diese
Ideale niemals erreichen können, weil alles nur ein Ausschnitt der Realität ist. In meinem Fachbereich
beschäftige ich mich aber auch mit der sogenannten fünften Gewalt, die diesem Neutralitätsanspruch
zuwiderläuft. Und das ist die Einflussnahme von Interessensgruppen auf die Medien. Man spricht auch von „grauer PR“.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Im Nachgang des Euromaidan haben wir vom IMV eine Recherche in Auftrag gegeben, die klären
sollte, ob solche Interessensgruppen auch die Berichterstattung über den Ukrainekonflikt beeinflusst
haben. Diese Recherche hat ergeben, dass es zumindest in der EU seit 2015 Strukturen gibt, die nach unserer Einschätzung wesentlich zur medialen Lage von heute beigetragen haben. Eine der wichtigsten ist die East StratCom Task Force des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Stratcom steht für strategische Kommunikation. Diese Taskforce macht etwa Briefings mit Journalisten und klärt diese über russische Desinformation auf. Und da ist ein Fakt, der aus dem Rahmen fällt oder nicht als solcher anerkannt wird, schnell mal eine Verschwörungstheorie. Die Frage ist natürlich, welche politischen  Interessen eine solche Organisation vertritt.

Nämlich?
Erklärter Auftrag der East StratCom Task Force ist es, die politischen Ziele der EU in den östlichen Ländern voranzutreiben. Das Referat für Strategische Kommunikation des EAD arbeitet bei der Bekämpfung von Desinformation eng mit der Nato zusammen, so auch beim Propaganda-Überwachungsprojekt EUvsDisinfo. Das Stratcom-Referat ist zudem in die Arbeit des Strategic Communications Centre of Excellence der Nato eingebunden. Am Schluss brieft also ein Militärbündnis Journalisten über russische Desinformation – ohne Methoden für deren Analyse offenzulegen.

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