Hexenverfolgungen in Darmstadt

Hinrichtungen angeblicher Hexen fanden in Darmstadt, soweit wir wissen, nur in insgesamt 3 Jahren statt: 1582, 1586 und 1590. 1582 sind 18 Todesopfer nachweisbar, darunter ein 16-jähriges Mädchen und ein 11-jähriger Junge, das einzige männliche Todesopfer. 1586 wurden weitere 17 Frauen hingerichtet und 1590 noch einmal 2. Hinzu kommen eine Reihe von Verurteilungen wegen Zauberei, die allerdings zu keinem Todesurteil führten.

Dank zweier vollständig erhaltener Geständnisse sowie eines Briefwechsels der Landgrafenbrüder Georg I. von Hessen-Darmstadt und Wilhelm IV. von Hessen-Kassel wissen wir über die Fälle von 1582 am meisten. Darüber hinaus sind diese Geständnisse ein seltenes Zeugnis der gesellschaftlichen Zustände in der frühen Neuzeit und berichten von Armut, Zwangshochzeiten und Morden, begangen einzig, um bereits bestehende Ehen zu lösen. Auch die Parallelität von frühneuzeitlichem Herrschaftsverständnis, archaischem Volksglauben und christlicher Theologie, die erst in ihrer Kombination die massiven Exzesse der Hexenverfolgungen erzeugen konnten, wird hierbei sehr deutlich.

Hauptverantwortlicher für die Darmstädter Hexenverfolgungen ist Landgraf Georg I., der sich im Kampf gegen die Mächte des Teufels sah und daher rationalen Argumenten nicht zugänglich war. Als die Beschuldigungen nach der Hinrichtungswelle von 1582 abebbten, ließ er gezielte Nachforschungen anstellen, ob in Darmstadt und den umgebenden Dörfern Gerüchte über Hexen im Umlauf waren – ein eher ungewöhnlicher Vorgang. So erzeugte er vermutlich die zweite Welle 1586, von der der Wortlaut des Protokolls einer Gerichtsverhandlung erhalten ist. Auch hier offenbart sich die Vorstellungswelt der damaligen Zeit, erklärt der Ankläger darin doch, dass Massenmord weniger schlimm sei als Ungläubigkeit.

Die beiden Fälle 1590 sind dagegen etwas rätselhaft und werfen die Frage auf, weshalb es in diesem Jahr nicht zu der sonst so typischen Verfolgungswelle gekommen ist und ob weitere Fälle möglicherweise nur nicht dokumentiert sind. Danach kam es in Darmstadt zu keinen Hexenprozessen oder gar -hinrichtungen mehr, obwohl diese während dem Höhepunkt der Hexenverfolgungen im 17. Jahrhundert mehrfach von der Bevölkerung verlangt wurden.

Interessant ist auch die zurückhaltende Rezeption. Vor allem im 19. Jahrhundert, als die Aufklärung die Hexenverfolgungen allerorts als Wahn brandmarkte, werden die Darmstädter Hexenverfolgungen entweder komplett verschwiegen oder gar engagiert verteidigt. Kritik ist dagegen keine zu finden. Hintergrund ist vermutlich, dass Georg I. der Dynastiegründer des damals herrschenden Großherzogs war und deshalb nicht negativ dargestellt werden durfte. Aber auch nach Ende der Monarchie blieben Historiker sehr zurückhaltend mit Analysen oder gar Kritik, so dass dieses Thema bis heute im öffentlichen Bewusstsein der Stadt nicht vorhanden ist.

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