Rehabilitation von Hexen

Ich habe in den letzten Tagen zweimal Emails bekommen, in denen die Frage nach einer möglichen Rehabilitation von als Hexen Verurteilte aufkam. Eine stammt von Hartmut Hegeler, ein evangelischer Pfarrer, der sich seit über zehn Jahren für die Rehabilitation der Opfer der Hexenverfolgungen einsetzt und auf dessen Internetseite zu diesem Thema ich gerne verweise: http://www.anton-praetorius.de/arbeitskreis/arbeitskreis.htm .

Auf dieser Seite ist unter anderem auch eine Liste von Städten zu finden, deren Stadträte die Opfer der Hexenverfolgung in den vergangenen Jahren „rehabilitiert“ haben:

1992 Lemgo/ NRW (und 2012)
1993 Winterberg/ NRW, Stadt, kath. und ev.Kirche
1996 Idstein/ Hessen
2002 Kammerstein,
2003 Kammerstein – Barthelmesaurach/ Bayern
2007 Eschwege/ Hessen, Stadt und ev. Kirche
2010 Hofheim a.T./ Hessen
2011 Rüthen/ NRW
2011 Hilchenbach/ NRW
2011 Hallenberg/ NRW
2011 Düsseldorf/ NRW
2011 Sundern/ NRW
2011 Menden/ NRW
2011 Werl/ NRW
2011 Suhl/ Thüringen
2012 Bad Homburg/ Hessen
2012 Detmold/ NRW
2012 Rheinbach/ NRW
2012 Köln/ NRW

„Rehabilitiert“ habe ich bewusst in Anführungszeichen geschrieben, denn eine Rehabilitation der Opfer kann meiner Meinung nach nur durch die jeweiligen Bundesländer erfolgen nicht durch Stadträte, da die Blutgerichtsbarkeit in den meisten Fällen (so auch in Darmstadt) nicht Angelegenheit des Stadtrats war, auch wenn an den Verhören und den Urteilen natürlich durch Ämterhäufung im Großen und Ganzen dieselben Personen beteiligt waren wie jene, die im Stadtrat saßen. Ein Beschluss der Stavo, wie er wohl in all den oben erwähnten Städten stattgefunden hat, hat also rein symbolischen Wert.

Dennoch wurde ich gefragt, ob ich jemanden kenne, der vielleicht eine ähnliche Initiative für die Opfer der Hexenprozesse in Darmstadt anregen würde.

Ich bin bei so was immer etwas skeptisch, besser gesagt, ich kenne meine Mitbürger sehr gut: würde man eine solche Debatte anstoßen oder gar die Stavo dazu bringen, ernsthaft darüber zu diskutieren, würde es von allen Seiten Kritik hageln, ob die Stadt nichts besseres zu tun hätte. Ob nicht die aktuellen Probleme wichtiger wären als eine symbolische Geste in einer Sache, die mehr als 400 Jahre zurückliegt. Zumal es noch etliches anderes Unrecht gäbe, das man seither hätte aufarbeiten können.

Und in gewisser Weise muss ich da sogar zustimmen.

Doch auf der anderen Seite: es ärgert mich ungemein, dass die Hexenprozesse in Darmstadt nie wirklich Thema in der Stadt waren, denn der Grund, warum darüber in Darmstadt nie diskutiert wurde, ist schlicht auf Propaganda zurückzuführen. Im 19. Jahrhundert, als man anfing, die Hexenverfolgungen aufzuarbeiten, herrschte noch der Großherzog und dessen Dynastiegründer war der Hauptverantwortliche für die Hexenprozesse in Darmstadt. Ein Kerl, dem man im Schloss ein Denkmal gesetzt hat und nach dem man nicht weit davon entfernt eine Straße benannt hat. Populistisch gesagt: nicht Opfern, sondern Tätern wird gedacht. Er durfte im 19. Jahrhundert nicht kritisiert werden und so wurde die Sache in geradezu erbärmlicher Geschichtsverdrehung schöngeredet, die, wenn man sie heute liest, so richtig was zum fremdschämen ist. Und der Mist wurde dann auch noch nachgeplappert, relativiert und heruntergespielt, weit in demokratische Zeiten hinein! Eine öffentlichkeitswirksame Korrektur wäre daher durchaus nicht die schlechteste Idee. Und durchaus auch von Vorteil für die Stadt, denn die Pflege einer Erinnerungskultur ist identitätsstiftend. Auch dann, wenn es um Unrecht geht.

Ob das allerdings in der Stavo stattfinden sollte oder ob das nicht sogar ein Schuss sein könnte, der nach hinten losgeht, weiß ich nicht. Trotzdem habe ich es jetzt hiermit mal zur Sprache gebracht, wenn es jemand also anders sieht, bitte… 😉

Übrigens: dieser Tage jähren sich die ersten Fälle von Hexenhinrichtungen in Darmstadt zum 430. Mal. Zwischen Ostern 1582 und dem 25. Juli 1582 waren acht Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Nach einer Quelle am 29. August 1582, wahrscheinlich aber etwas später irgendwann zwischen dem 13. und dem 25. September 1582 gab es weitere 10 Opfer, darunter der gut dokumentierte Fall der beiden Minderjährigen Wolf Weber und Anne Dreieicher.

3 Responses to Rehabilitation von Hexen

  1. Marc says:

    So eine Rehabilitierung sollte man erstmal im Gespräch mit unseren diversen landtagsabgeordneten ausloten und dann bräuchte man wohl auch praktische Beispiele, wie es woanders gemacht wurde.

    Wenn das dann soweit im Vorfeld planiert ist und alle als Leuchtfeuer der Aufklärung in Position gebracht wurden, müsste ein fraktionsübergreifendes Gesetzgebeungsverfahren auf den Weg gebracht werden. Das Gesetz könnte dann (ich weiß nicht, ob das geht) regeln, wie die Opfer von wem rehabilitiert werden, wenn die jeweilige Gemeindevertretung das mit Mehrheit vorschlägt.

  2. Noch ein Link zu dem Thema, wie man’s anderswo damit hält und sieht: http://www.noz.de/deutschland-und-welt/politik/65728315/die-opfer-der-hexenprozesse-starben-einst-als-verurteilte-straftaeter–manche-werden-rehabilitiert

    Wobei ich die vom Institut für Rechtsgeschichte der Universität Münster dort getroffene Bemerkung, dass das „Heilige Römische Reich deutscher Nation 1806 ohne Rechtsnachfolger untergegangen ist“ für absolut irrelevant halte. Vielleicht kommt da der Politikwissenschaftler in mir durch, aber das „Heilige Römische Reich“ war kein Staatsgebilde. Die Territorialstaaten des Reichs haben über 1806 hinaus weiter existiert und eine konstante Entwicklung zu den heutigen Bundesländern durchgemacht. Und deswegen sind auch diese eigentlich der Ansprechpartner für Rehabilitation aus der Zeit des „Reichs“ und können auch rehabilitieren. Auch das andere Argument des Herrn Juristen, dass die Verurteilten nach damals geltendem Recht verurteilt wurden, ist Quatsch, weil die vorgeworfenen Taten, für die diese Leute verurteilt wurden, ja faktisch nicht stattgefunden haben. Wenn ich heute nach geltendem Recht jemanden wegen Mordes verurteile, der nachweislich diesen Mord nicht begangen haben kann, dann ist das sehr wohl anfechtbar!

  3. Marc says:

    Ja, da sind Juristen oft stur. Weil man ja ausversehen einen echten Verbrecher amnestieren könnte.

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